Szene eines Sommerregentages:
Der alt gewordene Casanova vom Strandkiosk lehnt sich mit seinem ledernen Teint aus dem Schiebefenster der Bestellannahme und streckt mir meinen Cappuccino entgegen. Am Handgelenk baumelt ein Kettchen. „Darf es noch was sein, junge Dame?“, fragt er in norddeutscher Breite. Unter den buschigen Augenbrauen blitzen blaue Augen. Ich schüttele den Kopf und halte ihm einen Fünf-Euro-Schein hin. Das Wechselgeld lässt er in der Luft tanzen. Casanova in Hochform. Ich balanciere meinen Cappuccino zum Kiosk-Strandkorb, der eben in der Sonne stand. Jetzt nehmen dunkle Wolken darüber ihre Lauerstellung ein. Urlauber in Hot-Pants, Sandalen und Regenjacken ziehen die Schultern hoch, Wind kommt auf, dann fallen die ersten Tropfen. Ich verkrieche mich in den Strandkorb, er riecht nach Plastikbezug und feuchtem Bast. Aus den Regentropfen werden Fäden, ich ziehe meine Füße an den Körper hoch auf den Plastikbezug und klappe das Vordach runter.
Gegenüber auf dem Reetdach des Kiosks sammeln sich dünne Rinnsale. Den Urlaubern, die sich an die blaue Holzwand des Kiosks pressen, tropft es in die Kragen. Unter einem Sonnenschirm harrt am weißen Plastiktisch eine Familie über Pommes und Currywurst aus. Der Mutter bläst der Wind den Regen in den Rücken. Der Vater ist schon fertig und zündet sich im ketchuproten Mundwinkel eine Zigarette an.
Der Regen kommt nun mit Wucht vom Himmel und leckt vom Vordach. Rechts neben meinem Bein platscht er in den Strandkorb und spritzt feine Wasserwege auf meine sandigen Zehen. Casanovas Grinsen schallt aus der Durchreiche zu mir rüber. „Muttern“, ruft er jetzt harsch. Die steht wohl drinnen unsichtbar an der Friteuse.
Bildnachweis: scipics / photocase.de
Comments