Trommel auf, Mutti will raus:
Wenn ihr in die Nacht eintaucht, streiche ich Sofakissen glatt.
Wenn ihr die großen Fragen bewegt, kümmert mich Kleines.
Wenn ihr wach werdet über eurem Kaffee, treibe ich mich an.
Wenn ihr euch neu einkleidet, hole ich Feuchttücher.
Wenn ihr frühstücken geht, mache ich Mittag.
Wenn ihr eure Freizeit füllt, klaube ich die Reste zusammen.
Wenn ihr Barcelona und Rom bereist, fege ich die Terrasse.
Wenn ihr von eurem Urlaub schwärmt, bade ich in meiner Sehnsucht.
Wenn ihr ein Thema wälzt, will ich aufspringen zum nächsten.
Wenn ihr Flüchtlinge umsorgt, wäre ich gerne einer von ihnen.
Wenn ihr sagt, was wichtig ist, nicke ich meiner Leere zu.
Wenn ihr mehr aus euch machen wollt, bewältige ich das Heute.
Wenn ihr das Weltgeschehen verfolgt, habe ich die Tagesschau verpasst.
Wenn ihr euch global bedroht fühlt, fürchte ich mich vor mir.
Wenn ihr eure Lieblingsserie guckt, lebe ich meine Soap.
Wenn ihr nach dem Sinn sucht, bin ich längst angekommen.
Wenn euch dies und das ärgert, stelle ich mich nicht an.
Wenn ihr in Bioläden geht, mache ich Großeinkauf im Internet.
Wenn ihr euch selbst bewusst seid, spiele ich keine Rolle.
Wenn ihr heute mal in den Tag hineinlebt, erkaufe ich mir Freiheit.
Wenn ihr eure Liebe pflegt, schaffen wir das schon.
Wenn ihr die Stadt durchstreift, optimiere ich Wege.
Wenn euch Kunst inspiriert, mache ich Obstteller hübsch.
Wenn ihr zum Sport geht, bettet mein Schweinehund mich zur guten Nacht.
Wenn ihr noch einen Ratgeber lest, lasse ich mich von euch adoptieren.
Wenn ihr wüsstet, was uns alles trennt.
Aber in nicht mal zehn Jahren
Kleide ich mich neu ein
Werde mir selbst bewusst
Gehe frühstücken
Lebe in den Tag hinein
Von Timbuktu bis Tadschikistan
In nicht mal zehn Jahren
Finde ich Bioläden, die ihr nicht kennt
Verfolge das Weltgeschehen
Schlage mir Nächte und Themen um die Ohren
Lasse mir Obstteller reichen
Und die Hornhaut abnagen
Für den weichen Antillen-Sand
In nicht mal zehn Jahren
Stelle ich mir Fragen
Lasse Flüchtlinge bei mir wohnen
Und den Fernseher morgens laufen
Fürchte nur noch die anderen
Oder dass mir die Ideen ausgehen
Und habe stets eine Packung Feuchttücher für mich allein dabei
In nicht mal zehn Jahren
Bin ich wieder eine von euch.
Bild: wronge57 / photocase.de
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